Letzte Hoffnung auf Gerechtigkeit und Aufklärung !
Semiya Simsek hofft, wie viele Angehörige der NSU-Opfer, auf Aufklärung. (Quelle: Reuters) Heute beginnt um 10 Uhr vor dem Oberlandesgericht in München der NSU-Prozess gegen die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe und vier weitere Angeklagte. Das Verfahren vor dem Staatsschutzsenat findet unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen statt - es gilt schon heute als Jahrhundertprozess. Viele Angehörige der Mordopfer blicken mit gemischten Gefühlen auf den Prozessbeginn. "Es ist eine seelische Herausforderung für sie, diesen Prozess zu begleiten", sagt die Ombudsfrau der Bundesregierung, Barbara John. Sie steht fast täglich im Kontakt mit den meist türkischstämmigen Hinterbliebenen. Mehr als 20 von ihnen wollen zum Prozessauftakt nach München kommen. "Sie erhoffen sich auch Klarheit."
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Ein "letzter Kraftakt"Semiya Simsek ist die Tochter des ersten Mordopfers Enver Simsek und Nebenklägerin. Das sei für ihre Familie der "letzte Kraftakt". Sie erwarteten "wirkliche Aufklärung" und Gerechtigkeit. "Und ich erhoffe mir auch, dass sich die Politik an ihrem Versprechen messen lässt: Dass wirklich mit Hochdruck an der Aufklärung gearbeitet wird, so wie Kanzlerin Angela Merkel das gesagt hat", sagt Simsek.
Die Mitglieder des NSU sollen zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen umgebracht haben. Über Jahre wurden die Verdächtigen vor allem in den Reihen der Familien selbst gesucht. Seit Bekanntwerden der Mordserie Ende 2011 kamen mehrere Pannen und Pleiten der Sicherheitsbehörden heraus.
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Enttäuschung über fehlende DebatteDer Berliner Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler vertritt im Prozess zwei Familien als Nebenkläger. Sie seien aufgeregt, spannungsgeladen sowie entsetzt über die Enthüllungen der letzten Monate und die Zugangsprobleme türkischer Medien.
"Die Mutter einer meiner Mandantinnen spricht nur rudimentär deutsch, sie ist darauf angewiesen, aus den türkischen Medien informiert zu werden."
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Enttäuscht seien die Familien, dass es keine öffentliche Debatte gab, wie sie die Bundeskanzlerin bei der Trauerfeier vor einem Jahr angekündigt habe, sagt Daimagüler. "Wir müssen über Rassismus reden."
"Sie wollen Gerechtigkeit"Seine Mandantinnen wollen zum Auftakt des Prozesses kommen, sagt Daimagüler. "Sie wollen sehen, dass das ganze kein schwarzes Loch ist, dass da Menschen aus Fleisch und Blut hinter den Taten stehen", sagt er über die Hinterbliebenen.
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Sie wollten verstehen, was damals geschah und warum es sie traf. "Sie wollen Gerechtigkeit, in dem die Täter für ihre Taten sühnen, also verurteilt werden, und sie wollen Aufklärung, dass sie endlich wissen, wer die Hintermänner waren und welche Rolle möglicherweise die Verfassungsämter da gespielt haben."
Vertrauen zurück gewinnenEs ist viel Vertrauen verloren gegangen bei den betroffenen Familien und darüber hinaus. Gerade zu Verfassungsschutzämtern und zur Polizei sei es fast auf den Nullpunkt gesunken. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, sagt: "Es ist wichtig, dass wir das Vertrauen wieder zurückgewinnen."
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Die Ombudsfrau der Bundesregierung sagt, die Familien fragten sich, warum die Morde nicht verhindert werden konnten und warum das erst durch einen Zufall entdeckt wurde. Für die Angehörigen, die zum Prozess nach München kommen, werde es bei Bedarf auch psychologische Betreuung geben.
Letzte Hoffnung auf AufklärungLange Jahre durften die Familien nicht Opfer sein, sagt Daimagüler. Ihre rechtschaffenden Ehemänner und Väter habe die Polizei für Verbrecher gehalten. "Was sie erlebten, war, dass Nachbarn die Straßenseite wechselten und sich Freunde abwendeten."
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Unterm Strich seien noch viele Fragen offen, sagt Daimagüler. "Daher ist dieser Strafprozess natürlich unsere letzte große Hoffnung, dass wir wirklich zu einer umfassenden Aufklärung kommen."
Quelle: dpa